Kuemmern

Ich hab‘ es schon nicht leicht. Meine Art, von meinem offensichtlichen Heldentum abzulenken, ist ja das Kümmern um andere, ohne etwas darüber publik zu machen. Bin ja nicht selbstsüchtig, sondern so ein Robin Hood quasi.

Auf der Erde ist das mitunter schwierig, da gibt es so viele Neider, die mir mein ehrliches Engagement absprechen. Diese Bösen! Aber kürzlich war ich auf dem Planeten P783a. Das war Klasse. Ich wollte eigentlich auch nur ein Stündchen dort bleiben, dann kam aber plötzlich die Meldung, dass das Sternentor geschlossen werden muss. Die nächste Gelegenheit zur Rückkehr ergab sich dann erst nach drei Tagen.

Ich wollte dann jedenfalls mein Kümmern-Ding durchziehen, war auch irgendwie leicht anzugehen erst. Und alles von der Konkurrenz unverdorbene Seelen. Herrlich! Die hatten alle auch nur so das Niveau von Bürokaufmannfrau oder so. Da sollte meine Führung dann auch angebracht sein. Hatte ja selber keine Ahnung von der Materie und den wirklichen Belangen dort, aber meine hohlen Phrasen sollten schon helfen.

Welch undankbares Volk, was mein Kümmern dann am Ende nicht wollte! Bin als Frontmannfrau entlarvt worden, die nur mit anderen Ideen hausieren gegangen ist. Deshalb wollten die mir meine Kompetenz absprechen. Stellt euch das mal vor, die graue Eminenz beißt auf Granit, kann eigentlich nicht sein! Die P783a-Regierung hat mich dann ausgewiesen und ich musste noch vor Sternentor-Öffnung in der Kälte warten, bis das Ding endlich aufging.

OK, inzwischen bin ich aus dem Fernsehsessel aufgewacht und merke, dass es den P783a gar nicht gibt und ich auch nicht die Hauptperson war. Der Rest ist aber irgendwie real. Achso. „Kümmern“ tun sich auch andere…

Wie geht es „uns“ heute?

„Wie geht es uns heute?“, der Hausarzt fragt gerade. Ja, der Uralt-Witz: „Keine  Ahnung wie es Ihnen geht, mir geht es jedenfalls be…“, ist schon ein wenig abgenutzt. Beim Onkel Doktor war ich auch lange nicht und kann ihm auch keinen auf die Mütze geben, wenn er den Plural als Verharmlosung oder Beschwichtigung für eine schlimme Sache ranzieht, denn er macht das ja nur für seine ganz eigenen pädagogischen Zwecke.

In der Politik ist der ich-Plural „wir“ respektive „uns“ ein probates Mittel, andere, (die von ihrem Glück garnichts wissen) mit in der eigenen Argumentation zu vereinnahmen. OK, stellen „wir“ uns darauf ein:

Nicht genug Freiwillige nach Abschaffung des Zivildienstes da? „Wir“ werden das schon schaffen! „Wir“ spenden 1 Mill. Euro Richtung Somalia (reicht für eine Schüssel Reis oder drei Tage, siehe Anzahl der Flüchtlinge), kein Problem, „wir“ helfen ja. „Wir“ beschliessen den Atomausstieg und machen das abgefedert für die Multis (upps, die Milliarden dort wuerden etwa ein bis zwei Schnapper länger als drei Tage Essen am Horn von Afrika reichen). An sich komisch, aber da ja „wir“ uns dort engagiert haben, sind wir doch sauber, oder?

Möge die Macht der eigenen Einschätzung mit euch sein …